Wie Pilze auf unseren Körper wirken – #2

Von Kasimir 9 Min Lesezeit

Dieser Artikel ist Bestandteil unserer siebenteiligen Artikelserie über die wunder- und heilsame Welt der Pilze.

Wie Pilze auf unsere Körper wirken

Nicht nur auf das Ökosystem und das natürliche Gleichgewicht haben Pilze großen Einfluss. Sobald wir mir ihnen in Kontakt kommen, wirken sie auch auf unsere Körper. Die meisten von uns denken da vielleicht in erster Linie an den unangenehmen Fußpilz, hier soll es aber um einige nützliche Eigenschaften von Pilzen für den menschlichen Körper gehen. Da Pilze ihrem natürlichen Umfeld ständig mit anderen Pilzen und Bakterien konkurrieren, haben sie vielfältige Verteidigungsmechanismen entwickelt. Von diesen antibakteriellen oder antivitalen Eigenschaften  können auch wir Menschen profitieren. 


Pilze sind gute Nahrungsmittel, denn sie enthalten Vitamine der B-Gruppe sowie Vitamin D und E, Proteine und Mineralstoffe und Spurenelemente wie Kalium, Selen oder Folsäure. Außerdem bilden sie natürliche Antibiotika und können uns helfen, unser Immunsystem gegen andere Pilze, Viren und Bakterien zu wappnen. Pilze sind also ein echtes Geschenk der Natur an uns Menschen. 


Wenn man von Pilzen spricht, unterscheidet man zwischen Speisepilzen und sogenannten Heil- oder Vitalpilzen. Letztere werden wegen ihres Geschmacks oder ihrer Konsistenz nicht gemeinhin als Speisepilze verwendet. Das heißt aber bei Weitem nicht, dass Speisepilze nicht auch ihre heilsame Wirkung hätten, wie man an Pilzen wie Shiitake oder Auricularia sehen kann: Sie finden sowohl als Speisepilze als auch in der gezielten Pilz-Behandlung, auch Mykotherapie genannt, Verwendung. Auch ich esse, wenn sich mir die Gelegenheit bietet, immer gern Speisepilze, die neben all ihren aktiven Wirkstoffen einfach gute und leckere Nahrungsmittel sind. Gleichzeitig möchte ich die Stärkung meiner Gesundheit durch Vitalpilze nicht missen. 


Heilsame Pilze: Die Mykotherapie

Die sogenannte Mykotherapie ist das Feld der medizinischen Anwendung von Pilzen. Heilpilze können keine Therapie oder medizinische Behandlung ersetzen und sind in Deutschland nicht als Medikamente zugelassen. Als Nahrungsergänzungsmittel finden sie allerdings krankheitsvorbeugend oder begleitend zu einer Krebstherapie Anwendung. Vor allem in der Alternativmedizin und unter Heilpraktikern, die der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) nahe stehen, genießen Heilpilze großes Ansehen. Sie werden vor allem zur Stärkung des Immunsystems und gegen Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen eingesetzt. 


Dass Heilpilze gerade in der TCM eine wichtige Rolle spielen ist wenig verwunderlich, wenn man sich ihre lange Geschichte als traditionelle Heilmittel in China und Japan vor Augen führt: Der Reishi-Pilz wird beispielsweise seit über 4.000 Jahren in der Volksheilkunde eingesetzt. Aktuell kommen über 70 verschiedene chinesische Heilpilze im Rahmen der TCM zur Anwendung. Aus Asien stammen von daher auch viele Studien, die über Heilpilze Aufschluss geben, allerdings ist das Feld der Mykotherapie im wissenschaftlichen Sinne noch ein recht junges und bedarf weiterer Forschung. 

Beta-Glucane: Die Superhelden der Pilz-Wirkstoffe

Die Stars der in Pilzen enthaltenen Wirkstoffe sind unumstritten Beta-Glucane. Sie sind chemisch gesehen kompliziert verzweigte Zuckermoleküle oder auch Polysaccharide und bestehen fast ausschließlich aus Glucose. Das mag nach ungesundem Zucker klingen, Beta-Glucane haben allerdings wenig mit unserem normalen Speisezucker zu tun. Im Gegenteil sind diese Wirkstoffe, die in manchen Pflanzen, einigen Hefen und vor allem in Pilzen vorkommen, sehr gesund. Sie stärken unser Immunsystem, wirken sich positiv auf das Herz-Kreislauf-System aus und können das Infektionsrisiko beispielsweise bei Wundheilung senken. Auch ihre Wirksamkeit gegen verschiedene Krebsarten ist wissenschaftlich nachgewiesen, in Japan sind Beta-Glucane sogar als offizielle Anti-Krebs Mittel zugelassen und werden etwa begleitend zu Chemotherapie eingesetzt.


Tatsächlich haben unsere körpereigenen Makrophagen (Viren-Fresszellen) Rezeptoren, die nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip ganz genau zu den Beta-Glucanen passen. Von daher ist es naheliegend, dass wir Menschen uns gemeinsam mit diesen Polysacchariden entwickelt haben und diese nicht körperfremd sind, sondern ihren Platz in unserem Immunsystem haben. Die Wirkstoffe, die der Pilz ausbildet, um sich gegen Bakterien und andere Pilze zu verteidigen, sind natürliche Antibiotika wie beispielsweise Penicillin. Sie wirken auch im menschlichen Körper antiviral, antibakteriell und antifungal. Da Beta-Glucane nicht leicht verdaulich sind, gelangen die Wirkstoffe unbeschädigt in den menschlichen Verdauungstrakt, wo sie mit dem Darm-Mikrobiom, also den Verdauungsbakterien interagieren. Sie aktivieren dort die Zellen des lymphatischen Systems und damit das Immunsystem. Diese Immunaktivierung führt zu einer verbesserten körpereigenen Abwehrreaktion gegen Viren, Bakterien und Pilzinfektionen und senkt das Krebsrisiko.


Als ich zum ersten Mal von dieser immunstärkenden Wirkung von Heilpilzen hörte, hätte ich sie fast wieder abgeschrieben, denn als Allergikerin will ich in der Pollensaison alles andere als eine noch stärkere Immunreaktion. Interessanterweise wirken Beta-Glucane aber immun-modulierend im Körper, das heißt sie gleichen auch eine übertriebene Immunreaktion, wie sie bei Allergien stattfindet, aus und können die Symptome lindern. Aus diesem Grund werden Beta-Glucane auch nach Organtransplantationen eingesetzt, wo sie helfen, das Immunsystem zu unterdrücken, damit der Körper das neue Organ nicht abstößt. 


Weitere Wirkstoffe: Jede Menge Gutes

Außer Beta-Glucanen haben Pilze noch eine Menge anderer Wirkstoffe, die ich hier nur kurz anreißen will. Weithin bekannt sind Antioxidantien, die inzwischen eine gewisse Bekanntheit erlangt haben und in vielen gefeierten Superfoods enthalten sind. Auch Pilze haben Antioxidantien, die normale Oxidation, also Reaktion von Substanzen mit Sauerstoff verlangsamt oder verhindert. Hochreaktive Sauerstoffverbindungen, besser bekannt als freie Radikale, bilden sich im Alter, bei bestimmten Krankheiten, Zellschäden oder durch UV-Strahlung und Umweltgifte. Sie führen zu sogenanntem oxidativen Stress, der seinerseits zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs führen kann. Die Wissenschaft vermutet inzwischen allerdings, dass die eigentlich wichtige Rolle bei diesem Prozess den Flavonoiden (wasserlöslichen Pflanzenfarbstoffen) zukommt, die mit den Antioxidantien zusammenhängen. Diese wirken erwiesenermaßen antiallergisch, antiviral und antimikrobiell. Außerdem haben sie eine antioxidative Wirkung und können verschiedenen Krebsarten vorbeugen. 

Einer der wichtigsten Wirkstoffe in Pilzen sind Terpene. Diese sind die Hauptbestandteile ätherischer Öle, wirken antimikrobiell und werden beispielsweise in Krebstherapien oder gegen Malaria eingesetzt. Sie sind entzündungshemmend, schmerzlindernd, schützen die Nerven und wirken entspannend. Auch bei hohem Blutzucker oder Osteoporose können Heilpilze eine unterstützende Wirkung entfalten, da die Terpene den Erhalt der Knochenmasse fördern. An dieser Stelle muss allerdings auch gesagt werden, dass Terpene sehr vielfältig sind und wir noch viel über sie und ihre Wirkung auf den Körper zu lernen haben.


Gute Pilze, schlechte Pilze

Neben all ihren wunderbaren Heilwirkungen können Pilze sich natürlich auch negativ auf unseren Körper auswirken. Nicht umsonst ist die Nachricht “Pilz im Körper”, die unter anderem von Beta-Glucan ausgelöst wird, ein Alarmsignal für unser Immunsystem. Pilzinfektionen können unsere Abwehr ziemlich auf die Probe stellen und sind manchmal schwer loszuwerden. Auch Schimmelpilze greifen unseren Körper an: Wer lange in einem Haus mit einem dauerhaften Schimmelproblem gelebt hat, kann unter schwerwiegenden Auswirkungen wie chronischer Müdigkeit, Gedächtnisverlust, Angstzustände oder Depressionen leiden. 


Genauso kann man beim Pilzesammeln mit giftigen Pilzen in Berührung kommen. Nicht nur die charakteristischen Fliegenpilze (amanita muscaria) sind giftig, sondern auch Pilze, die man leicht mit einem leckeren Speisepilz verwechseln kann. So zum Beispiel der Giftchampignon (agaricus xanthodermus), der den uns vertrauten Speise-Champignons zum Verwechseln ähnelt. Die Symptome einer Pilzvergiftung können von einer Magenverstimmung über psychedelische Erfahrungen bis zu äußerst seltenen Todesfällen reichen. Von daher sollte man den Wald, in dem man Pilze sammelt, gut kennen und bei aller Begeisterung über die Heilkraft von Pilzen nicht vergessen, dass wir uns vor “schlechten Pilzen” in acht nehmen sollten!


Im nächsten Text möchte ich etwas genauer auf die verschiedenen Formen, in denen wir Pilze zu uns nehmen, eingehen.

Quellen

  • Dr. Jürgen Weihofen: Heilpilze – Ling Zhi, Shiitake, Maitake und Affenkopfpilz. Sanoform-Verlag. 2001. 
  • Robert Rogers: The Fungal Pharmacy. North Atlantic Books. 2011.
  • Dr. Susanne Ehlers: Chinesische Heilpilze und ihre verblüffende Wirkung. n.d.
  • De.m.wikipedia.org. 2021. Antioxidans – Wikipedia. https://de.m.wikipedia.org/wiki/Antioxidans
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